Good Practice aus der Wirtschaft - 26.09.2024
Karrierewechsel mit 61
Interview von Sebastian Senn mit Jürg Steiner
Warum wolltest du beruflich kürzertreten?
«Mit etwa 60 Jahren machte sich bei mir eine gewisse Müdigkeit bemerkbar. Bei der Arbeit fehlte mir teilweise die Energie und die Kraft, die ich mir aus jüngeren Jahren gewohnt war. Dadurch wuchs in mir eine innere Unzufriedenheit. Zudem kommst du in deinem Leben irgendwann an einen Punkt, an dem du realisierst, dass deine Lebenszeit endlich ist. Du fragst dich, wo soll die Reise hingehen? Mehr Verantwortung im Beruf oder mehr Zeit für mich selbst, Familie und Freunde? Die Antwort darauf fiel mir leicht. Das Privatleben soll wieder mehr Priorität geniessen. Aus diesem Grund wollte ich eigentlich in Frühpension gehen. Dazu kam es dann aber nicht.»
Warum denn nicht?
«Als ich gegenüber meinem Vorgesetzten den Wunsch äusserte, frühzeitig in Pension zu gehen, konnte er meine Beweggründe nachvollziehen. Trotzdem war es ihm ein Anliegen, mich nach Möglichkeit noch länger im Unternehmen zu halten. Zusammen haben wir dann nach Lösungen gesucht und sind auf die flexiblen Arbeitsmodelle für erfahrende Mitarbeitende aufmerksam geworden. Ich konnte mein Pensum reduzieren und in eine weniger stark belastende Funktion wechseln.»
Wie hat sich dein Arbeitsalltag seither verändert?
«Ich habe meine Führungsfunktion abgegeben und arbeite jetzt mehr im Hintergrund. Mein Wissen kann ich an Kolleginnen und Kollegen weitergeben, und gleichzeitig bin ich weniger stark beansprucht. Das passt! Ich sehe mich jetzt mehr als erfahrener Götti, der beratend zur Seite steht. Dank des flexiblen Arbeitsmodells habe ich mehr Zeit für mich und die Menschen, die mir nahestehen.»
Was waren bei der Umstellung die grössten Herausforderungen für dich?
«Ich hatte von Anfang an keine Mühe damit, Verantwortung abzugeben. Vielmehr geniesse ich, dass ich mein Wissen mit jüngeren Mitarbeitenden teilen kann. Diese sind immer froh, wenn ich ihnen Tipps gebe, die sie weiterbringen. Der Funktionswechsel ist eine «Win-win-Situation» für alle. Nach wie vor kann die Delica von meiner Expertise profitieren. Gleichzeitig habe ich eine bessere «Work-Life-Balance». Das Thema «Frühpension» ist für mich erst einmal vom Tisch.»
Mit über 50 bei der Migros arbeiten
Die Migros bietet verschiedene flexible Arbeitsmodelle für Mitarbeitende über 50 Jahre an. Mitarbeitende können etwa im Rahmen der Altersteilzeit ihr Pensum reduzieren oder in eine andere Funktion wechseln. Ausserdem können Mitarbeitende über 50 von einem umfassenden Lern- und Gesundheitsangebot profitieren, um ihr Wissen aufzufrischen oder Belastungen im Alltag und im Arbeitsleben vorzubeugen.