Laufbahnplanung - 07.12.2022
«Late Careers» – Proaktive Gestaltung und Entwicklung von Laufbahnen in Organisationen
Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihre bestehenden Förderstrategien erneuern und die Frage stellen, wie gut erfahrene Mitarbeitende in der Fortsetzung ihres beruflichen Werdegangs Unterstützung erfahren.
In dem von Innosuisse – der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung – geförderten Projekt «Late Careers» haben sich die FHO (Institut für Leadership und Organisation) sowie FHNW (Institut für Personalmanagement und Organisation) mit ihren Partnern der Entwicklung von Lösungen zugewandt. Beteiligt haben sich drei grosse Versicherungen Allianz Suisse, Bâloise Group in der Schweiz und CSS, die Kantonsspitäler Sankt Gallen und Basel-Land sowie Grass & Partner für die Entwicklung eines Angebots an Beratungsprodukten zur Gestaltung von «Late Careers».
Wann gilt eine Laufbahn 50+ als gelungen?
Eine der wesentlichen Fragestellungen blieb das ganze Projekt über das Verständnis dessen, wann von «gelingender Laufbahn bzw. Karriere 50+» gesprochen werden kann und wie sich solche entwickeln können. Auch wenn die verschiedenen Organisationen dies anders definieren ist das Ziel einheitlich, auch über die Lebensmitte hinaus Laufbahnentwicklung fortzusetzen und zu unterstützen.
Unabhängig vom Alter werden Karrierewege in Koproduktion zwischen der Organisation (HR und Führungskräfte) und dem Individuum gestaltet. In jüngeren Berufsjahren erfolgt oft eine aktive Förderung der/des Einzelnen, die in der späten Erwerbsphase seltener angeboten wird.
Zudem gibt es durch Veränderungen in den organisationalen Strukturen insgesamt immer weniger Aufstiegsfunktionen, um die dann «alt» und «jung» konkurrieren. Verändern muss sich daher insgesamt die Vorstellung, dass gelingende Karrieren stets hierarchisch bergauf führen, damit Chancen für eine weitere Entwicklung fortbestehen. Vielmehr geht es um eine «agile Laufbahn- und Entwicklungsgestaltung».
Wird diese Flexibilität in der Gestaltung von individueller Entwicklung von Unternehmen geschätzt, unterstützt und honoriert, so ist eine wesentliche Grundlage dafür geschaffen, von den vielfältigen Potenzialen der Mitarbeitenden tatsächlich umfassend zu profitieren.
Mit Blick auf das Alter müssen stereotype Ansichten in Organisationen von Einzelpersonen und in der Gesellschaft revidiert werden, um bestehende Diskriminierungen zu unterbinden, die oft auf einer defizitären Sicht auf ältere Mitarbeitende basieren. Diese impliziert, dass mit zunehmendem Alter zwangsläufig ein Abbau der Leistungsfähigkeit einhergehe. Gegenbelege zu ihrer zuvor vielfach angezweifelten – auch digitalen – Leistungsfähigkeit haben Ältere generell und in der Pandemie im Besonderen ausreichend erbracht. Ob dies genügt, das Bild von Älteren zu revidieren ist fraglich.
Zu den Projektergebnissen besteht ein frei zugänglicher Leitfaden, der Unternehmen Hintergrundwissen aus Vorarbeiten und unserem Projekt zu den besonderen Herausforderungen zum Thema «Late Careers» bietet.
Sie beziehen sich auf die aktuelle HR-Praxis sowie auf wahrgenommene Risiken und Herausforderungen aus Sicht von HR-Spezialisten und -Spezialistinnen sowie Führungskräften einerseits sowie auf die Einschätzungen von Mitarbeitenden andererseits.
Unternehmen erhalten Analyse-Instrumente an die Hand, um die bestehende HR-Praxis einzuschätzen sowie bestehenden Risiken mit Blick auf das Gelingen von Laufbahnen bzw. Karrieren 50+ aus Perspektive der Organisation (HR und Führungskräfte) zu erfassen sowie mittels eines Fragebogens die individuelle Perspektive der Betroffenen abzuholen.
Es wird eine Roadmap vorgeschlagen, die Organisationen dabei unterstützen soll, innerbetriebliche Projekte zur proaktiven Laufbahnentwicklung und -gestaltung zu lancieren. Sie beinhaltet Schritte von den Analyseergebnissen zur Entwicklung konkreter Massnahmen.
Konkrete Beispiele, Massnahmen und Konzepte zeigen auf, wie Unternehmen an bereits bestehender guter Praxis ansetzen können, um späte Laufbahnen proaktiv zu gestalten.
Schlüsselerkenntnisse für die Praxis
Aus den Analysen ergeben sich u.a. folgende Erkenntnisse
- Es bestehen deutliche Unterschiede in den Fremd- und Selbsteinschätzungen der Employability.
- Mitarbeitende scheinen die eigene Employability nach Einschätzung von Linie und HR mehrheitlich zu positiv zu sehen
- Die Digitalisierung wird wenig als Gefahr betrachtet, wenngleich ergänzende, offene Angaben der Befragten deutlich auf eine Dominanz technischer gegenüber fachlicher Bedarfslagen und eine nur wenig vorausschauende Personalentwicklung hinweisen.
- Ältere scheinen von dem generell gering ausgeprägten Technostress unwesentlich stärker betroffen zu sein als Jüngere.
- Die Möglichkeiten für lebenslanges Lernen, die sich durch die Gestaltung der Tätigkeit und der Führungsbeziehung bieten, werden zu wenig genutzt.
- Von älteren wird mehr Eigeninitiative im Hinblick auf Karriere und Entwicklung erwartet, als von jüngeren.
- Altersbezogene Diskriminierungen sind keine Ausnahmen. Sowohl Ältere als auch Jüngere sind davon betroffen.
- Jüngere teilen negative Vorurteile gegenüber Älteren eher und stimmen positiven Stereotypen seltener zu, als die Älteren selbst.
- Vorurteile gepaart mit Effizienzüberlegungen in Organisationen sind Grundlagen, dass in die Entwicklung von Mitarbeitenden 50+ zu selten investiert wird.
Studientyp und Methodik
- Risiko-Analysen im HR
- Workshops mit Linienvorgesetzten sowie Vertretern des HRM der beteiligten Projektunternehmen
- Online- Befragung mit Antworten von 1’079 Befragten im Alter 50+ aus Versicherungen sowie von 242 Pflegenden in den Spitälern sowie einer Vergleichsgruppe von unter 50-Jährigen mit 458 Befragten aus den Versicherungen und 72 Personen aus der Pflege
Ansprechpartner:in für diese Studie
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock
Professorin Leadership, HRM, Organisation bei OST – Ostschweizer Fachhochschule
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock ist Mitglied im wissenschaftlichen Think-Tank von focus50plus.
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