Laufbahnplanung - 13.03.2023
Späte Karriereformen von Frauen 45+ und Chancengleichheit
Während in Unternehmen die Karrieren und Entwicklungsmöglichkeiten für jüngere Personen und Frauen in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren haben, lässt sich dies für ältere Frauen nicht in gleicher Weise konstatieren. Generell werden in Organisationen Personen im Alter 45+ zu wenig gezielt gefördert, auch wenn ihre Erwerbsbeteiligung in der Schweiz vergleichsweise hoch ist. Insbesondere für Frauen fehlen in Unternehmen jedoch Massnahmen, die eine bessere Förderung von Karrieren ab der Lebensmitte unterstützen und dazu beitragen, durch attraktive Möglichkeiten der Beschäftigung und Entwicklung, das Potenzial weiblicher Erwerbspersonen möglichst umfassend auszuschöpfen. Unabhängig von tatsächlichen Unterbrechungszeiten oder Reduktionen der Arbeitszeit geben ab dem 45. Lebensjahr viele Frauen ihre Karriereambitionen auf und resignieren (Kricheldorff & Schramkowski, 2014). Ziel eines zweiten Projektes zur Verstetigung der Aktivitäten für Frauen 45+ war es, Unternehmen im Erkennen und Abbau bestehender Barrieren für die Erhaltung und Nutzung von Frauenpotenzialen 45+ zu unterstützen und zukunftsfähige Karrieren durch für die Zielgruppe sinnstiftende und unter Aspekten der dynamischen Kompetenzentwicklung zuträgliche Tätigkeiten zu ermöglichen.
Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann hat das Projekt mit Finanzhilfen nach dem Gleichstellungsgesetz unterstützt.
Das Projekt trägt dazu bei, die Chancengleichheit von Frauen durch eine verbesserte Karriereförderung von Frauen 45+ in Organisationen und tragfähige lebenslange weibliche Karrieren zu erhöhen. Die im Folgenden dargestellten Leistungen können nach wie vor beim IOL-OST oder über careerdevelopment.ch bezogen werden.
Ziel des Projektes war es:
- die beruflichen Perspektiven für Frauen in Unternehmen/Organisationen zu verbessern,
- den Beschäftigungsumfang und die Verweildauer von Frauen im Berufsleben in der Schweiz zu erhöhen,
- mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen,
- die Durchgängigkeit von Frauenkarrieren und im Aufbau von Führungskompetenz zu fördern,
- das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern zu verringern und
- einen Beitrag zur Reduktion des Fachkräftemangels zu leisten.
Zu den wichtigsten Projektaktivitäten zählten:
- Unternehmensscreenings, aus denen die Situation und Handlungsfelder zur Verbesserung der Förderung von Frauen 45+ in Organisationen hervorgehen,
- Beratung der Unternehmen sowie Definition von Zielen und prioritären Massnahmen für die Weiterentwicklung der eigenen Förderpolitiken, -strategien und -implementierungen,
- Bestimmung von Kriterien zur Bewertung der Zielerreichung, Umsetzung von bestehenden bzw. Ausarbeitung von weiteren Massnahmen, unter anderem durch Workshops,
- Unternehmensbefragung zu den Themenfeldern: Karrierelaufbahn und Werdegang, Bindung von Mitarbeitenden, Fördererleben/-notwendigkeiten und Karrierekompetenzen, Anhaltspunkte für Diskriminierung sowie Digitalisierung und künftige Karrieren,
- Befragung von Frauen zu ihrem Werdegang, Erwartungen für die weitere Karriere angesichts der Digitalisierung, Besonderheiten weiblicher Karrieren 45+ sowie Chancengleichheit,
- Wissenstransfer im Rahmen einer jährlichen Tagung mit jeweiligem Schwerpunktthema sowie
- Transfer der Erkenntnisse und Aufbau von Know-How durch die Zertifikatslehrgänge «CAS New Leadership in Team- und Selbstführung» und «CAS innovatives HR-Management».
Im Rahmen des Projektes wurden Kooperationen mit anderen Initiativen gestartet:
- Gemeinsames Angebot für Organisationen zusammen mit viamia bzw. Laufbahnberatungen, die Standortanalysen der Mitarbeitenden und individualisierte, betriebliche Förderung besser koppeln wollen und
- Lancierung einer gemeinsamen Eventreihe als Austausch- und Vernetzungsplattform mit dem Ziel, branchenübergreifend für das Thema «mehr Frauen im Business» zu sensibilisieren.
Schlüsselerkenntnisse für die Praxis
- Unternehmensvertretende sind sich den Folgend des demografischen Wandels zunehmend bewusst.
- Sie wollen das Potenzial von Frauen künftig besser nutzen.
- Frauen 45+ scheinen, dennoch, nach wie vor häufig als «Arbeitsmarktreserve» betrachtet zu werden, und zu selten als Potenzialträgerinnen.
- In Organisationen lässt sich eine gewisse «Gender Fatigue» feststellen oder sogar eine «Diversity Fatigue».
- Dadurch sind die Themen Alters- und Geschlechterdiskriminierung schwer bespielbar, obwohl angesichts des Fortbestandes von Stereotypisierungen und Diskriminierungen die Notwendigkeit besteht.
- Vor dem Hintergrund und angesichts dessen, dass sich über die Zielgruppe von Frauen hinaus gehend immer mehr Menschen für andere Karrierewege und neue Formen der betrieblichen Förderung wünschen, empfehlen wir Organisationen, sich der “Förderung einer Vielfalt an Karrieremodellen” zuzuwenden und die Weichen dafür zu stellen.
- Das im Projekt entwickelte Screening und das weitere Angebot an Massnahmen sind bereits auf diesen Aspekt hin ausgerichtet und lassen einen entsprechenden Fokus zu.
- Den frauenspezifischen Karriere-Themen “Risky Job Positions”, (Förder-)Beziehungen, Stereotypen/Rollenbildern, Gender Fatigue, Digitalisierung und weiteren Inhalten des Screenings wurde in dem Projekt besondere Aufmerksamkeit zuteil.
- Zunächst wurde in einer Befragung die Zielgruppe HR-Fach-/Führungskräfte adressiert und darauf abgestimmt eine Befragung von Betroffenen durchgeführt.
- Die Ergebnisse werden im gegen Jahresende zur Veröffentlichung vorgesehenen Handbuch «Innovation im HR und Career Development von Frauen 45+ - Verstetigung» sowie in diversen Publikationen zum Thema dargestellt.
- Aus den Projektergebnissen geht hervor, dass Frauen in der Lebensmitte ganz besonders dann, wenn sie Kinder haben, deutlich die Erfahrung gemacht haben, dass sie für den beruflichen Erfolg und ihr Vorankommen im Vergleich zu Männern mehr leisten mussten, sich gezwungen sahen, um Voran zu kommen weniger attraktive Positionen zu akzeptieren, mehr Eigenregie in der Steuerung ihrer Karriere brauchten und dennoch oftmals Männer bei Neubesetzungen bevorzugt wurden. Sie sehen sich auch heute auch oft mit Stereotypen konfrontiert.
- Wenn Organisationen von den Potenzialen von Frauen umfassend profitieren wollen, brauchen sie zeitgemässe Konzepte für das Human Resources Management und zur Führungsentwicklung.
- Um Tools, Methoden und Know-How für die Gestaltung eines innovativen und zukunftsgerichteten HR an die Hand zu bekommen, können Unternehmen an aus dem Projekt entstandenen Zertifikats-Lehrgängen teilnehmen und das bestehende Beratungsangebot nutzen.
- Wissen, Methoden und Fallstudien finden sich des Weiteren in Fachzeitschriften und im Buch «Frauenkarrieren»: Bischof, N.; Olbert-Bock, S. & Redzepi, A. (2022). Frauenkarrieren. Gezielte Gestaltung aus Unternehmens- und persönlicher Sicht. Stuttgart: Schäffer Poeschel.
- Ein frei zugängliches Handbuch zu den Projektergebnissen ist ab Ende 2022 u.a. auf careerdevelopment.ch verfügbar.
Studientyp und Methodik
- Schriftliche Befragung von Experten aus dem Human Resources Management sowie von Betroffenen.
Ansprechpartner:in für diese Studie
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock
Professorin Leadership, HRM, Organisation bei OST – Ostschweizer Fachhochschule
Prof. Dr. Sibylle Olbert-Bock ist Mitglied im wissenschaftlichen Think-Tank von focus50plus.
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